BR Volleys | Newsblock: Er ist die „Stimme“ des Volleyballtempels, Sportmediziner, Teamarzt der Deutschen Volleyball-Nationalmannschaft und regelmäßig Moderator der größten Berliner Sportevents: Karsten Holland kann aus so ziemlich jedem Blickwinkel die aktuelle Lage rund um den Sport in Zeiten der COVID-19-Pandemie bewerten. Ein Gespräch über Brot und Spiele, einen leeren Terminkalender und virtuelle Bratwurst.

 

Beitrag aus: Berlin Recycling Volleys www.berlin-recycling-volleys.de

Foto: Eckhard Herfet

 

Es war deutlich ruhiger in den vergangenen Wochen in der Gemeinschaftspraxis von Orthopäde und Sportmediziner Dr. Karsten Holland in Berlin-Spandau. Mit Ausbruch des Corona-Virus wurden die Praxis-Sprechstunden reduziert, um das Infektionsrisiko zu senken. „Außerdem haben wir aktiv die Älteren und Risikopatienten angerufen und diese gebeten, zuhause zu bleiben. Im April haben wir dann wieder angefangen, länger zu öffnen. Es war zwar deutlich ruhiger, um rund 25 Prozent, nimmt nun aber wieder stark zu“, beschreibt Holland exemplarisch das Vorgehen vieler Arztpraxen in Berlin. „Seit Anfang des Jahres haben wir in unserer Gemeinschaftspraxis auch einen allgemeinmedizinischen Sitz, insofern beschäftige ich mich deutlich mehr auch mit Infektionen, Impfungen etc.“, erzählt der Mann, der seit der Saison 1999/2000 als Arenasprecher beim SCC Berlin und den BR Volleys fungiert.

 

Sein Fachwissen wird aktuell nämlich auch außerhalb der eigenen Praxis besonders gebraucht. Als einer der leitenden Teamärzte im Deutschen Volleyball-Verband ist Holland in die Planungen des DVV eng involviert: „Seit sechs Wochen diskutieren wir in diesem Kreis, wie man Volleyball-Deutschland eine Wiederaufnahme des Sports ermöglichen kann.“ Entsprechend muss der Familienvater sich auch infektiologisch informieren, um verlässliche Aussagen tätigen zu können. Erst in dieser Woche wurde mit weiteren Verbandsärzten sowie den sportlich und organisatorisch verantwortlichen Personen des DVV über die Realisierung von Nationalmannschaftslehrgängen in Zeiten von Corona diskutiert. „Wenn wir dafür keine Möglichkeit finden, haben die Bundestrainer ihre Spielerinnen und Spieler eineinhalb Jahre nicht gesehen. Daher suchen wir nach Lösungen, um dies unter strengen Gesundheitsauflagen durchführen zu können. Man würde vor dem Start der Lehrgänge entsprechende Testungen durchführen, in Kleingruppen beginnen und nach einer weiteren Testung vier Tage später die Gruppe zusammenziehen“, erklärt Holland ein mögliches Modell für den Trainingsbetrieb, welches intensiv geprüft wird. Dabei würde sich der Kreis der Beteiligten auf 25 bis 30 Personen inklusive Betreuer beschränken.

 

Doch Holland ist nicht nur dem Volleyball eng verbunden, sondern auch in vielen anderen Sportarten, die derzeit ruhen, ein bekanntes Gesicht. Der gebürtige Berliner moderiert neben den Heimspielen der BR Volleys normalerweise auch zahlreiche Sport-Großveranstaltungen in der Hauptstadt. Einen derartig ruhigen Sommer wie 2020 hatte er wahrscheinlich noch nie. „Die A- und B-Jugend Finals um die Deutsche Meisterschaft im Fußball, welche für diese Zeit jetzt im Kalender standen, hat der DFB abgesagt und mir bereits Termine für das nächste Jahr mitgeteilt. Die Liste lässt sich fortsetzen mit dem EHF-Pokalfinale im Handball, den großen Laufevents einschließlich des Berlin Marathons und auch „Jugend trainiert für Olympia“. Bis Ende September ist alles weggefallen. Das Erste, was wieder möglich erscheint, ist ein Cross-Run im Herbst oder der Silvester-Lauf.“ Neben den finanziellen Einbußen geht für den 45-Jährigen vorrangig der Spaß verloren: „Viele Aktivitäten und Reisen bleiben mir in diesem Jahr verwehrt.“ Die positive Kehrseite der Medaille ist, dass deutlich mehr Zeit für das Familienleben vorhanden ist. „Meine Frau freut’s und mich natürlich auch“, erzählt er mit einem Lächeln und treibt dieser Tage vor allem die neuesten Planungen für das Privatleben voran.

 

Ganz ohne Sport geht es für ihn dann aber doch nicht und so war auch Holland einer von sechs Millionen Menschen, die den Fernseher einschalteten, als die Fußball Bundesliga ihren Spielbetrieb am Samstag wieder aufnahm: „Wir haben am Wochenende gesehen, wie stark der Sport von Fans und Zuschauern abhängig ist. Wir beim Volleyball leben auch vom Entertainment. Das alte Sprichwort „Brot und Spiele“ trifft ebenso auf den Leistungssport zu. Die Geisterspiele in der Fußball Bundesliga haben gezeigt, wie langweilig auch Fußball sein kann, wenn niemand im Stadion sitzt. Obwohl ich großer Fußballfan bin, fand ich es vollkommen uninteressant.“ Doch der Sportmediziner sieht eben auch darin eine Chance für weitere Sportarten. Man könne sich am Fußball beispielsweise an der Organisation von Testungen orientieren und schauen, wie es von der Gesellschaft angenommen wird: „Fußball ist dafür jetzt ein gewisses Role-Model“, so Holland.

 

Einem geregelten Start der Volleyball Bundesliga im Oktober oder gar schon September steht er derweil skeptisch gegenüber: „Man kann nicht Konzerte und Events wie den Berlin Marathon bis Ende September absagen und gleichzeitig erwarten, dass man wenig später schon wieder vor 3.000 oder 4.000 Zuschauern in der Max-Schmeling-Halle spielen kann.“ Sollte der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden dürfen, könne er sich vorstellen, dass dies zunächst ohne Zuschauer geschehen muss, wenn die Vereine dies in irgendeiner Form stemmen können. Schon für das letzte abgesagte Hauptrundenspiel gegen Friedrichshafen hatte sich der Arenasprecher auf ein solches Szenario vorbereitet: „Irgendwie musst du allein den Spielern zuliebe etwas vor Ort machen. Ich war gespannt, wie wir das gelöst hätten.“ Wie man in einem solchen Fall die Kosten für die Vereine decken kann, ist aber auch für Holland schwer einzuschätzen: „Mit Pay-Walls für Übertragungen haben wir in der Champions League meines Wissens nicht die besten Erfahrungen gemacht, aber irgendein Modell muss es dann geben. Vielleicht sind kreative Ansätze der bessere Weg und es müssen eben virtuelle Bratwürste verkauft werden.“ In erster Linie hofft aber auch Holland, dass – ähnlich wie in seiner Praxis – auch in den Sportarenen bald wieder mehr Trubel herrschen kann und die Fans die ein oder andere „gaaanz lange Volleyballnacht“ mit ihm erleben dürfen.